Die heimlichen Lokomotiven der BR 145

In diesen Tagen wird in der Bahnszene über die Abstellung der gesamten Baureihe 145 bei DB Cargo diskutiert. Selbst bei Lokmangel sollen die 145er nicht mehr fahren. Das klingt ganz nach einer typischen Entscheidung der DB Oberen: Unkompetent und kundenvergraulend. Doch nicht überall, wo BR 145 drauf steht, ist Deutsche Bahn drin. Werfend wir einen kurzen Blick in die Vergangenheit.

Die junge Deutsche Bahn AG schrieb zur Verjüngung ihres Lokomotivparks Mitte der 1990er Jahre mehrere Baureihen aus. Dabei bewarb sich die AEG mit ihren Prototypen 12X (Baureihe 128) und erhielt den Auftrag, 80 Lokomotiven eine Reihe für den leichten bis mittelschweren Güterzugdienst zu bauen. Diese als Baureihe 145 bezeichneten Lokomotiven könnte man als Nachfolge der Baureihen 140 und 139 einordnen.

Kurz nach Auftragseingang fusionierte die AEG mit ABB-Henschel zu ADtranz, die ihrerseits den Auftrag zum Bau der Baureihe 101 von der Deutschen Bahn erhielten. Adtranz wiederum wurde später an Bombardier verkauft, als Daimler seine Ambitionen zur „Welt AG“ begrub.

Mit der Fertigstellung aller 80 Lokomotiven für die Deutsche Bahn wurden weitere Lokomotiven für Privatbahnen und Lokvermieter gebaut, die Gesamtzahl der BR 145 betrug 103 Stück.

Doch sechs dieser baugleichen Lokomotiven erhielten die Bezeichnung BR 145 nicht. Diese Lokomotiven haben einen ungewöhnlichen Lebenswandel vorzuweisen. Sie gingen mit Auslieferung im Jahr 2000 sofort in die Schweiz, wo sie als Re 486 bei der Lokoop eingestellt waren. Die Loks rüstete man ab Werk nur mit der Schweizer Zugbeeinflussung aus, demnach waren sie für Ausflüge in die Heimat ihres Produzenten nicht geeignet.

Die Lokoop war ein gemeinsames Tochterunternehmen der Mittelthurgaubahn MThB und der Schweizerischen Südostbahn SOB. Doch das Glück der Re 486 bei Lokoop währte nur kurz. Die kleine Mittelthurgaubahn mit ihrer Stammstrecke von nur 54 Kilometern Länge war zur Jahrtausendwende ganz sicher die frechste und innovativste Privatbahn Europas. Die MThB bot gleich mehreren großen Staatsbahnen Paroli, insbesondere der SBB. Nur leider hatte die MThB den Überblick über ihre Kosten verloren. Das Kapitel Mittelthurgaubahn bietet genug Stoff für einen eigenständigen Artikel über die Geschichte dieser Bahn.

Die MThB ging im Jahr 2002 insolvent und wurde mit allen ihren Unternehmungen liquidiert. Die Lokoop wurde durch SBB Cargo übernommen. Bei SBB Cargo erhielten die Loks ihre neue Bezeichnung als Re 481. SBB Cargo ließ die Re 481 mit deutschen Zugbeeinflussungen nachrüsten, um ihre sechs Exoten in den großen Kanton abzuschieben. Dort waren sie weiterhin als Reihe Re 481 bei SBB Cargo Deutschland im Einsatz.

Dann ging es Schlag auf Schlag. Im Jahr 2005 verkaufte SBB Cargo die sechs Re 481 an den Lokvermieter MRCE Deutschland. Bei MRCE erhielten die Loks die Bezeichnung als Baureihe 145. MRCE verkaufte 2007 die 145 083 und die 145 085 an die Pressnitztalbahn. Dort erhielten sie interne Betriebsnummern, die auch äußerlich auf den Loks aufgedruckt sind. 2014 entledigte sich MRCE der 145 087 und 145 088 und verkaufte sie an SRI Rail Invest. Letzlich wechselten 2015 auch die 145 084 und 145 086 von MRCE an HGK/RheinCargo. Damit fand die vorübergehende Odyssee der ehemaligen Lokoop Re 486 ein Ende.

Abschließend sei noch ein besonderer und erst kürzlich absolvierter Einsatz erwähnt. Die 145 086-5 D-RHC (RheinCargo) fuhr im Jahr 2023 im WFL Ersatzverkehr als RE 80 zwischen Würzburg und Treuchtlingen.

Erläuterungen zur Fahrzeugliste:
Zahlenfreunde erhalten als Bonus zur Unterhaltung bei den beiden Lokomotiven, die zur Pressnitztalbahn gelangten, eine firmeninternen Nummer. Mit diesen firmeninternen Nummern sind die Loks auch beschriftet. Diese Nummern weichen von den „normalen“ Betriebsnummern sowie den NVR-Nummern ab. Warum das Ganze? Keine Ahnung.

Das Kürzel „Re“ bei Schweizer Lokomotiven ist ein Relikt eines älteren Schweizer Systems zur Bauartbezeichnung. Dabei bedeutet das große „R“ Rapid für eine Lok mit erhöhter Geschwindigkeit von mindestens 110 km/h. Das kleine „e“ steht für die Traktionsart, in diesem Fall also elektrisch.

Die sogenannte NVR-Nummer steht für das nationale Fahrzeugeinstellungsregister (NVR = National Vehicle Registration) und wurde am 01. Januar 2007 durch das Eisenbahnbundesamt eingeführt.

Die Transformation der 6 Lokomotiven:
MThB/Lokoop Nummer: Re 486 651 => zur SBB-Nummer: Re 481 001 => zur internen PRESS-Nummer: 145 023-6 => zur Betriebsnummer: 145 083-2 bei der PRESS => zur NVR-Nummer: 91 80 6145 083-2 D-PRESS

MThB/Lokoop Nummer: Re 486 652 => zur SBB-Nummer: Re 481 002 => zur Betriebsnummer: 145 084-0 bei RheinCargo => zur NVR-Nummer: 91 80 6145 084-0 D-RHC

MThB/Lokoop Nummer: Re 486 653 => zur SBB-Nummer: Re 481 003 => zur internen PRESS-Nummer: 145 030-7 => zur Betriebsnummer: 145 085-7 bei der PRESS => zur NVR-Nummer: 91 80 6145 085-7 D-PRESS

MThB/Lokoop Nummer: Re 486 654 => zur SBB-Nummer: Re 481 004 => zur Betriebsnummer: 145 086-5 bei RheinCargo => zur NVR-Nummer: 91 80 6145 086-5 D-RHC

MThB/Lokoop Nummer: Re 486 655 => zur SBB-Nummer: Re 481 005 => zur Betriebsnummer: 145.087-3 bei SRI Rail Invest => zur NVR-Nummer: 91 80 6145 087-3 D-SRI

MthB/Lokoop Nummer: Re 486 656 => zur SBB-Nummer: Re 481 006 => zur Betriebsnummer: 146.088-1 bei SRI Rail Invest => zur NVR-Nummer: 91 80 6145 088-1 D-SRI