Schienenersatzverkehr zu Fuß

An der Bahnstrecke Kiel – Eckernförde – Flensburg finden derzeit Bauarbeiten an einer fast 100 Jahre alten Brücke bei Lindaunis über die Schlei statt.

Die Brücke besitzt die Funktion einer Klappbrücke, die täglich mehrmals für den Schiffsverkehr auf der Schlei geöffnet wird. Und es gibt noch mehr Besonderheiten, denn es handelt es sich um eine kombinierte Eisenbahn- und Straßenbrücke, die mit 5 Metern so schmal ist, dass alle Verkehrsteilnehmer die schmale Fahrbahn gemeinsam nutzen.

Die Regionalbahn RB72 befährt die Strecke Kiel – Flensburg mit LINT Triebzügen im Stundentakt, sodass zweimal stündlich der Straßenverkehr mittels Schranken auch für die Bahn angehalten wird.

Im Laufe der Jahrzehnte wurde die Brückentechnik anfällig für Störungen. Die Bahn entschied deshalb, direkt neben der alten Brücke eine neue zu errichten.

Auch die neue Brücke wird eine kombinierte Eisenbahn- und Straßenbrücke, aber mit 12 Metern wird sie deutlich breiter sein. Züge werden die neue Brücke mit 80 km/h befahren können, auf der alten Brücke sind nur noch 20 km/h Höchstgeschwindigkeit möglich.

Die Bauarbeiten werden noch bis mindestens Ende 2025 andauern, dabei muss die alte Brücke mehrmals für Monate für den Schienen- und Straßenverkehr gesperrt werden. Nur Fußgänger dürfen die alte Schleibrücke in dieser Zeit benutzen.

Wie aber soll ein vernünftiger Schienenersatzverkehr eingerichtet werden, wenn die Brücke gleichzeitig für den Straßenverkehr gesperrt ist? Der Ersatzbus müsste bei Benutzung der nächsten Straßenbrücke einen Umweg von 40 Kilometern abfahren.

Kreative Leute der Bahn haben sich eine besonders praktische Lösung einfallen lassen. Die Regionalzüge fahren während der Sperrzeit bis zu provisorischen Haltepunkten direkt vor die Brücke. Die Fahrgäste laufen 350 Meter zu Fuß über die alte Brücke und fahren auf der anderen Seite mit dem nächsten Zug ihrem Ziel entgegen.

Der provisorische Haltepunkt nördlich der Schleibrücke heißt „Boren-Lindaunis Schleibrücke Nord“, der südliche Haltepunkt wird als „Rieseby Schleibrücke Süd“ bezeichnet.

Die Lage der Schleibrücke mit der unterbrochenen Bahnstrecke
So sieht der „Ersatzverkehr zu Fuß“ in der Bahn-App aus

Eine ähnliche Situation entstand vor Jahrzehnten unfreiwillig an der Bahnstrecke Mühldorf – Wasserburg. Ab 1979 liefen Fahrgäste für 6 Jahre über die marode Jettenbacher Innbrücke. Die Schienenbusse hielten ebenfalls an Haltepunkten neben der Innbrücke. Dann wurde der Weg selbst für Fußgänger zu gefährlich, sodass die Brücke komplett gesperrt wurde. Infolgedessen wurde der Reiseverkehr zwischen 1985 und 1994 auf der Strecke Mühldorf – Wasserburg komplett eingestellt.